Tanja. Nicos Mama.

Also für mich hat Nico das allerschönste Lächeln der Welt gehabt. Ich konnte nie lange böse auf ihn sein. Wenn er nur einmal vor einem stand und dieses Grinsen dann drauf hatte…

Er hatte eine Ausbildung angefangen im August – zum Medientechnologen. Das hat ihm gut gefallen. Er musste zwar früh aufstehen, aber das hat er gut hinbekommen. Dass Nico etwas ganz Besonderes war, zeigte sich auch ganz zum Schluss noch einmal. Denn seine Blutgruppe besitzen deutschlandweit nur 9 % der Menschen.

Nico hat Drogen konsumiert und – wie wir im Nachhinein erfahren haben – hat er Dinge ausprobiert. An diesem einen Mittwochabend hat er Methadon probiert. Und das hat er, denken wir, zu viel genommen.

Er war bei seiner Freundin und die haben das dort zusammen konsumiert.

Gerahmten Jugendbild eines verstorbenen jungen Mannes auf einer Kommode

Und er ist nicht mehr aufgewacht.

Mutter schaut ihrer erwachsenen Tochter liebevoll in die Augen

Im Endeffekt wissen wir nicht, wie lange er schon da gelegen hat, bis der Rettungswagen überhaupt da war. Er wurde dann da vor Ort 20 Minuten reanimiert und hinterher im Krankenhaus noch mal 10 Minuten. Nicos Vater und ich waren bis nachts im Krankenhaus.

Am nächsten Morgen habe ich dann angerufen, wie die Nacht war. Der Arzt sagte, dass Nico ein paar epileptische Anfälle gehabt hätte, die man aber wohl in den Griff bekommen hätte. Und er fragte, ob wir wüssten, wie Nico über Organspende denken würde. Und das hat mich jetzt erstmal am Telefon direkt am nächsten Morgen schon schockiert, muss ich sagen. Weil das für mich dann schon ein Zeichen war, dass es nicht gut aussieht.

Uns wurde erklärt, dass Nico runtergekühlt wurde, aber sie ihm genug Zeit geben, um zu schauen, ob er auch wieder allein arbeitet. Von der Atmung her glaube ich. Eigentlich habe ich mir das ja auch schon bisschen denken können, dass die Chancen so lange ohne Sauerstoff nicht gerade gut stehen. Die Ärzte haben uns dann das ganze Prozedere erklärt. Dass am Samstag halt jemand kommen wird und geschaut wird, ob Nico hirntot ist.

Samstagmorgen sagte uns die Frau von der Deutschen Stiftung Organtransplantation im Gespräch, sie könne durchaus verstehen, dass es schwierig ist, die Entscheidung beim eigenen Kind zu treffen.

Und es wäre auch egal, wie wir uns entscheiden würden – sie könne unsere Entscheidung akzeptieren.

Während dieses Gesprächs wurde die Frau der Deutschen Stiftung Organtransplantation von einer Schwester raus gebeten und dann war sie ein paar Minuten verschwunden. Als sie wiederkam, sagte sie uns, dass es jetzt offiziell ist. Dass Nicos Hirntod festgestellt wurde. Da standen wir dann vor der Entscheidung: entweder Organspende oder Geräte abschalten. Und da haben wir dann die Entscheidung einstimmig getroffen, dass wir Nicos Organe spenden.

Zu sagen, Nicos Tod hätte etwas Gutes gehabt – das kann ich nicht. Auch wenn Menschen dadurch gerettet werden konnten. Für mich ist es aber schon wichtig, dass andere Eltern vielleicht nicht ihr Kind verloren haben. Es gab aber auch mal eine Phase bei mir, wo ich dann dachte:

Eine Hand hält ein Smartphone in die Kamera, das das Bild eines jungen Mannes zeigt

Ich weiß gar nicht, was Nico gewollt hätte. Haben wir das in seinem Sinne getan?

Mutter und Tochter lehnen sich aneinander an und schauen auf dem Balkon in die Ferne

Das ist das, was mich eine Zeit lang dann doch beschäftigt hat. Weil ich nicht wusste, ob er das überhaupt gewollt hätte.

Deshalb finde ich, dass Organspende ein Gesprächsthema sein sollte. Aber nicht nur, dass man weiß, was die Kinder möchten. Sondern auch, dass die Kinder wissen, was die Eltern möchten. Sicher ist das vielleicht ein Thema, womit man sich nicht beschäftigen möchte. Also mit dem eigenen Tod oder dem Tod der Eltern.

Die alleinige Entscheidung bei den Angehörigen ist sehr schwer. Sie verlangt viel ab. Redet lieber in guten Zeiten schon darüber.

Kooperations­partner*in werden